Staatliche Rücklagen für Beamtenversorgung

Im folgendem Artikel wurde von Stefan Walter recherchiert und ausgearbeitet, in welchem Umfang für die Pension und Beihilfeleistungen von Beamten bereits staatliche Rücklagen gebildet werden. Der Artikel wurde in der Zeitschrift für Versicherungswesen (10/2022) veröffentlicht – diese hat genehmigt, dass der Artikel hier eingestellt und wiedergegeben werden darf:

http://www.familiengerechtigkeit.de/wp-content/uploads/2022/08/2022-ZfV-Staatliche_Rueckstellungen_fuer_die_Beamtenversorgung-Stefan_Walter.pdf

Die Versorgungsausgaben für Pensionen und Beihilfeleistungen für Beamte im Ruhestand muss der Staat bislang aus dem laufenden Steueraufkommen finanzieren. Allerdings wurde seit Ende der neunziger Jahre begonnen, Rückstellungen für zukünftige Versorgungsaufwendungen zu bilden. Dabei gibt es sehr unterschiedliche Entwicklungen und Ansätze zwischen den Bundesländern. Der Aufsatz liefert einen Überblick über Umfang und Konzeption der staatlichen Rückstellungsbildung.

Die demographische Alterung wird sich in den nächsten Jahren spürbar auf die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen auswirken. Vor allem bedingt durch die über Jahrzehnte hinweg niedrige Geburtenrate wird sich die Quote von Erwerbstätigen und Personen im Ruhestand in den nächsten Jahren und Jahrzehnten verschärfen. Spürbar ins Gewicht fallen dabei die steigenden Ausgaben für die Pensionen und Beihilfeleistungen für die pensionierten Beamten. Da der Altersstruktur der Beamten im Durchschnitt über der Gesamtbevölkerung liegt, gibt es bereits jetzt eine verstärkte Pensionierungswelle. So sind die Versorgungsausgaben für Beamte im Ruhestand nach Berechnungen der Stiftung Marktwirtschaft im letzten Jahrzehnt um rund 50% auf über 75 Mrd. in 2020 angestiegen.Nur aufgrund eines Absinkens der Zinsausgaben für die Staatsschulden im gleichen Zeitraum konnte dies bislang abgefedert werden. Die westdeutschen Bundesländer müssen inzwischen rund 15% ihrer Steuereinnahmen für Versorgungsausgaben aufwenden, in den ostdeutschen Bundesländern liegt der Wert aufgrund der geringeren Zahl an Beamten deutlich niedriger. <1> Zwar wird sich ab 2030 die Zahl der Versorgungsempfänger insgesamt leicht absenken, doch die Zahl der über 80-jährigen wird bis 2040 weiter stark ansteigen. Diese haben deutlich höhere Krankheitskosten, welche durch die Beihilfe getragenen werden müssen. Die aggregierten Versorgungsaufgaben werden nach Berechnungen der Stiftung Marktwirtschaft bei einem angenommenen realen Lohnwachstum von 1,5%, bis 2060 auf jährlich 120 Mrd. steigen. <2>

Entwicklung der Rücklagen

In gewissen Umfang wurde politisch auf diese lang absehbare Entwicklung bereits reagiert.

Im Jahr 1999 wurde die Versorgungsrücklage des Bundes eingeführt. Diese war damals auch bindende Vorgabe für die Bundesländer. Durch schrittweise Absenkung des Besoldungs- und Versorgungsniveaus im Zeitraum von 1999 bis 2017 von durchschnittlich 0,2% sollten die Einsparungen als Zuführungen in die Versorgungsrücklagen eingehen.

Mit der Förderalismusreform von 2006 waren diese Regelungen des Bundes für die Länder aber nicht mehr bindend. In der Folge wurde eigene Vorsorgesysteme eingerichtet, die sich in ihrer Struktur, Anlagestrategie und Volumen deutlich unterscheiden. Die bestehenden Versorgungsrücklagen wurden den Bundesländern entweder weitergeführt, in eigene Pensionsfonds überführt oder z.T. aufgelöst.

In Summe haben sich die Rücklagen von Bund und Länder für ihre Beamten in den letzten 10 Jahren von ca. 19 Mrd. <3> auf rund 82 Mrd. Euro erhöht. Die Summe ist jedoch weit entfernt von einer vollständigen Kapitaldeckung. Darüber hinaus bestehen weitere Versorgungsrücklagen bei vielen Kommunen (z.B. in Baden-Württemberg zentral organisiert) sowie den Rücklagen für die früheren Bahn- und Postbeamten. Die folgenden Informationen zu den Rückstellungen wurden auf Basis der jeweiligen Informationsfreiheitsgesetze erfragt, da sie nur teilweise öffentlich abrufbar sind.

Die Tabelle auf Seite 301 zeigt die Entwicklung der Rücklagen der Bundesländer und des Bundes für ihre Beamten sowie die in den letzten Jahren erzielte Rendite. Deutlich wird hierbei, dass sich die Rückstellungen in Summe weiterhin im Aufbau befinden. Bei der ausgewiesenen Rendite ist zu berücksichtigen, dass in einigen Ländern auch Wertschwankungen von Anleihen aufgrund der Marktzinsentwicklung enthalten sind, z.B. in Baden-Württemberg. In anderen sind diese nicht in der Renditeberechnung enthalten, da man die Anleihen bis zur Endfälligkeit halten will, wie z.B. in Sachsen. Um eine Einschätzung über den relativen Umfang der Rücklagen zu geben, wurde die Rücklagen zum 31.12.2020 ins Verhältnis zu der Anzahl der Beamten und Versorgungsempfänger gesetzt. Da die genaue Altersverteilung hierbei unberücksichtigt bleibt, bildet die Berechnung nur einen groben Anhaltspunkt, welcher dennoch große Unterschiede sichtbar macht.


Quelle: Direkte Auskunft der Länder und des Bundes nach dem jeweiligen Informationsfreiheitsgesetz* niedrige Rendite oberhalb des Refinanzierungssatzes von Bremen** Eigene Berechnung mit Daten des Statistischen Bundesamtes zu Beamten (Fachserie 14Reihe 6 Tabelle 2.7 – Stand30.06.20) und Versorgungsempfängern (Fachserie 14 Reihe 6.1 Tabelle II – Stand 01.01.21und indiv. Auskunft zur Bundesagentur für Arbeit)

Unterschiedliche Konzeptionen

Aufbau der Rücklagen

Sachsen ist unter den Bundesländern bei der Bildung von Rücklagen am konsequentesten und bildet eine Vollfinanzierung für Beamte, die seit 1997 neu eingestellt wurden, sowie eineTeilfinanzierung für vor 1997 eingestellte Beamte. Zur Vollfinanzierung werden nach versicherungsmathematischen Berechnungen ermittelte Beträge zugeführt. Diese betragen je nach Besoldungsgruppe zwischen 35% bis 44% der aktuellen Besoldungsausgaben. <4>Auch für die Beamte der Bundesanstalt für Arbeit wurde seit 2008 eine vollständige Kapitaldeckung eingeführt. Hier beträgt der Zuführungssatz aktuell 96,6% der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge. <5> Allerdings wurde 2020 die Zuführung teilweise ausgesetzt. <6>

Andere Länder wie Schleswig-Holstein kombinieren einen pauschalen Zuschuss von z.B. 80 Mio. Euro und zusätzlich 100 Euro für jeden seit 2019 neu eingestellter Beamten. Das Land Niedersachsen führt ihrer Versorgungsrücklage aktuell nichts mehr zu, in Thüringen werden seit 2017 bereits Mittel wieder entnommen, ebenso wie in Bremen. Eine Untersuchung der Einzahlungen der Jahre 2001-2015 hat zudem ergeben, dass die Länder in Wahljahren ihre Einzahlungen um rund ein Sechstel im Vergleich zu Nicht-Wahljahren reduziert haben. <7>Dies zeigt, wie sehr eine solche pauschale Rückstellungsbildung politischem Einfluss unterworfen ist.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die aktuellen Rücklagen in vielen Bundesländern nur einen Bruchteil der tatsächlichen zukünftigen Lasten ausmacht. In Schleswig-Holstein lag beispielsweise die Rücklage 2018 in Höhe von 641 Mio. bei nur 1,2% der Barwerte der Versorgungsverpflichtungen, die mit 55,5 Mrd. berechnet wurden. <8>

Unterschiedliche Kapitalanlagestrategie

In Mecklenburg-Vorpommern, Saarland und Thüringen erfolgt die Anlage ausschließlich in Schuldscheinen des eigenen Bundeslandes. Aber auch die Versorgungsrücklage Rheinland-Pfalz (41%), Schleswig-Holstein (27%), Berlin (7%), sowie die Versorgungsrücklage des Bundes (7%) waren anteilig in eigenen Schuldscheinen bzw. Staatsanleihen investiert. Hierbei müssen bei einer Auflösung der Rücklage bei Fälligkeit der Schuldscheine die Mittel aus dem laufenden Steueraufkommen finanziert werden. In diesen Fällen besteht der effektive Mehrwert der Rücklagenbildung lediglich darin, (einen Teil) der zukünftigen Lasten unmittelbar im Landeshaushalt abzubilden. Dadurch besteht mehr Transparenz bei den tatsächlichen Kosten der Einstellung von Beamten und erfolgen richtige Anreize bei derEntscheidung, wie personalintensiv staatliche Aufgaben wahrgenommen werden. <9>

Eine Reihe anderen Länder ist zu erheblichen Anteil in Schuldscheinen und Anleihen anderer Bundesländer oder europäischer Staaten investiert, die jedoch von der demographischen Entwicklung in vergleichbarem Ausmaß betroffen sind und so lediglich eine geographische Verschiebung der demographischen Lasten erfolgt. Zum Teil, wie in Bremen, ist bei der Anlage jedoch die Voraussetzung, dass die Verzinsung die landeseigenen Refinanzierungskosten übersteigt.

Steigendes Investment in Aktien

Einige Länder und auch der Bund haben in den letzten Jahren hingegen ihre Aktienquote spürbar ausgebaut. So ist der bayrische Pensionsfonds zum 31.12.20 mit rund 40,5% in Aktien investiert, der Bund mit 21%, Berlin mit 25%, NRW 26,6%, Schleswig-Holstein mit 22%, Sachsen-Anhalt mit 34,2%. Ebenso sind Hessen und Baden-Württemberg sehr stark in Aktien investiert. Überwiegend werden diese in ETFs investiert, die ausschließlich nachhaltige Anlagen vorsehen.

Die hohen Aktieninvestments ermöglichen eine stärkere Diversifikation und höherer Renditechancen, bedeuten jedoch auch ein stärkeres Verlustrisiko und haben eine höhere Volatilität zur Folge. Volkwirtschaftlich kann die Investition in Produktiv-Kapital jedoch insgesamt zu einem stärkeren Wirtschaftswachstum führen. Gleichzeitig ist die weltweite Investition auch aus demographischer Sicht von Vorteil, da so zum Zeitpunkt der Rückzahlung/ Verkaufs keine nachteiligen Effekte entstehen und ein möglicher politischer Einfluss des Staates als Aktionär auf inländischen Unternehmen begrenzt bleibt.

Entnahme der Rücklagen

Die Frage, ob – und wenn ja wie viele – Mittel entnommen werden, ist bei einer Reihe von Ländern noch gar nicht klar definiert und dem späteren Beschluss der Parlamente überlassen. Von der ursprünglichen Planung, insbesondere die im Jahr 1999 eingeführten Versorgungsrücklagen bereit ab 2018 wieder aufzulösen, sind viele Länder und der Bund sinnvollerweise abgewichen.

In Sachsen erfolgt die Entnahme nach versicherungsmathematischer Berechnung entsprechend der Pensionierung von Beamten. Bei Beamten der Bundesagentur für Arbeit werden die Versorgungsaufwendungen schon jetzt ebenfalls vollständig aus der Rücklage entnommen, die geplante Zuführung übersteigt jedoch momentan noch die Entnahmen.

Andere Länder wie Hessen sehen eine Entnahme vor, wenn die Versorgungsrücklage 10% der bilanziellen Pensionsrückstellungen erreicht hat – die Entnahmen ist dann jedoch auf Höhe der Erträge beschränkt, die Rücklagen wirken so jedoch dauerhaft, da sie nicht aufgelöst werden.

Schleswig-Holstein sieht eine Entnahme vor, die nur soweit erfolgt, um Anstieg der Versorgungsausgaben auf max. 1,5% zu begrenzen. Dabei ist die Voraussetzung, dass durch die Entnahmen der Vermögensbestand des Versorgungsfonds von 2018 nicht unterschritten wird. Das Land Berlin plant hingegen, die Rücklage bis 2037 wieder komplett abzubauen. Bremen plant die Auflösung bereits bis 2028.

Unterschiedliche Verwendung

Unterschiede bestehen auch in der Verwendung der Rücklage. Während sie beispielsweise in Bayern, Hessen und im Saarland ausschließlich für die Pensionen verwendet werden darf, kann sie in anderen Ländern auch für die Beihilfeaufwendungen für Versorgungsempfänger verwendet werden.

In Rheinland-Pfalz bestand neben der Versorgungsrücklage ein Pensionsfonds, der bereits 1996 eingerichtet worden war. Dieser wurde 2017 mit einem Volumen von 5,65 Mrd. Euro aufgelöst, nach dem der Verfassungsgerichtshof des Landes angemahnt hatte, dass die Zuführungen zum Pensionsfonds nicht als Investition gewertet werden dürfen. Dies war in Rheinland-Pfalz insoweit einmalig. Der Pensionsfonds war überwiegend in eigenen Schuldscheinen investiert, so dass sich die offizielle Verschuldung des Landes durch Auflösung des Pensionsfonds reduzierte. <10> Die Höhe des Pensionsfonds entsprach den versicherungsmathematisch erforderlichen Rückstellungen für die seit 1996 neueingestellten Beamten. Diese wurden durch diesen Vorgang von expliziten wieder zu impliziten Schulden. So wird an diesem Beispiel deutlich, dass bei gleichzeitiger Erhöhung der Verschuldung, die Rückstellungsbildung durch Anlage in (eigenen) Staatsanleihen nur ein „Umlageverfahren im Deckmantel einer Kapitaldeckung“ ist <11>.

Rückstellungsbildung sollte Familien nicht belasten

Es muss jedoch beachtet werden, dass auch eine Rückstellungsbildung aus einem positiven Haushaltsergebnis heraus nicht auf Kosten der nächsten Generation erfolgt, indem Familien mit mehreren Kindern durch mehr Steuern oder geringere Leistungen belastet werden. Dann wäre die Wirkung der Rückstellungsbildung aus Perspektive der Generationengerechtigkeit nur eingeschränkt nachhaltig. Denn Eltern ziehen mit ihren Kindern die zukünftigen Steuerzahler auf und leisten so bereits den entscheidenden generativen Beitrag.

Fazit

Angesichts der demographischen Entwicklung ist die Rückstellungsbildung für Versorgungsaufwendungen grundsätzlich zu begrüßen. Für eine wirksame Entlastung sind dabei sowohl Umfang der Rücklagenbildung, die Art der Kapitalanlage und die Regeln der Entnahme entscheidend. Hier zeigt sich ein großes Spektrum zwischen den Bundesländern. Der Umfang der bisher gebildeten Rücklagen wird jedoch insgesamt nur im geringen Maße zu einer Entspannung der zunehmend angespannten Situation der öffentlichen Finanzen beitragen können. Solange die Geburtenrate in Deutschland sich nicht auf ein bestandserhaltendes Niveau erhöht, wird diese Herausforderung dauerhaft fortbestehen.

Daneben zeigen unterschiedlichen Anlagestrategien, dass auch für staatlichen Anleger die Spannung zwischen Rendite und Sicherheit besteht. Da aus den Rückstellungen keine individuellen Ansprüche für den einzelnen Beamten entstehen, haben sie jedoch – anders als z.B. die Lebensversicherer – keine Verzinsung zu garantieren. Allerdings besteht so auch die Gefahr, je nach politischer Mehrheit oder Haushaltslage auf eine weitere Rückstellungsbildung zu verzichten oder bestehende Rücklagen vorzeitig aufzulösen.

Stefan Walter (Der Autor ist Doktorand von Prof. Dr. Martin Werding, Lehrstuhl für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen, Ruhr Universität Bochum) |

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1. Vgl. Raffelhüschen et. al, 2021, Updat2021. Die Generationenbilanz, Stiftung Marktwirtschaft, Berlin, S. 15 ff» 

2. Ebenda, S. 17» 

3. Vgl. Benz, T. (2015). Ausgabenprojektionen, Reformszenarien und Rücklagenbildungder Beamtenversorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Sozialökonomische Schriften Band 49, Frankfurt, S.62f» 

4. Vgl. §1 Generationenfonds-Zuführungsverordnung Sachsens» 

5. §1 Verordnung über die Zuweisungen an das Sondervermögen „Versorgungsfonds der Bundesagentur für Arbeit“» 

6. Bundesagentur für Arbeit, Jahresrechnung 2020, S.48» 

7. Kulawik, J., Rösel, F. und M. Tuhm (2017). Spare in der Zeit, so hast du … Geld im Wahljahr? Ein Überblick über die Beamten-Pensionsfonds der Länder, ifo Dresden berichtet 24 (4), 3–9.» 

8. Schleswig-Holsteinischer Landtag Drucksache 19/2648, Evaluierung 2020 des Versorgungsfonds des Landes Schleswig-Holstein, S.4» 

9. Vgl. Benz, T. (2015). Ausgabenprojektionen, Reformszenarien und Rücklagenbildung der Beamtenversorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Sozialökonomische Schriften Band 49, Frankfurt, S.73» 

10. Ministerium für Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz (2017), Pressemitteilung vom14.06.2017: „Ahnen: „Konsequente Neuordnung bei Pensionsfonds und PLP“» 

11. So bereits der 2011 der Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz in seinem Jahresbericht 2011, Teil 2, S. 49.» 

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